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Dem Sturm die Stirn bieten – Unternehmen im Ökopark und die Corona-Virus-Krise
2020-03-02


© 699pic.com


Dem Sturm die Stirn bieten

Die Corona-Virus-Krise und ihre Auswirkungen


Wenn eines Tages alles vorüber ist, werden bestimmte Momente in Erinnerung bleiben. Dass die Regierung ungewöhnliche Maßnahmen ergriffen hat, um die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen zum Beispiel. Das englische Wort „Lockdown“ steht dafür. Millionen Menschen wurden in ihren Städten und Wohnanlagen „eingeriegelt“. Gleichzeitig ist die Bevölkerung in einer Welle der Solidarität enger zusammengerückt. Der Slogan „Wuhan, halte durch!“ (武汉加油) steht dafür.


Während viele Unternehmen nach den von der Regierung verlängerten Ferien zum Chinesischen Neujahr und der oft verhängten Haus-Quarantäne für Mitarbeiter bemüht sind, langsam wieder Tritt zu fassen, hatten Forschungs- und Entwicklungsunternehmen aus dem medizinischen Bereich keine Zeit zum Durchatmen. Für Dai Xingchen und Liu Junnian war der Start in das Jahr der Ratte am 25. Januar wohl so ungewöhnlich wie noch nie. Für die Familie, die eigentlich im Mittelpunkt stehen sollte, blieb kaum Zeit. Dai Xingchen ist stellvertretende Geschäftsführerin der Ruiyi Biotech, eines Shanghaier Start-up-Unternehmens, das Labortests für schwere Krankheiten wie Darmkrebs erforscht und durchführt und gleichzeitig Medikamente zur Behandlung entwickelt. Im vergangenen Jahr hat Ruiyi im Deutsch-Chinesischen Ökopark ein zweites Standbein aufgebaut, um, wie Dai Xingchen erzählt, näher am Kooperationspartner, dem BGI in Qingdao, zu sein. Das BGI ist Chinas bedeutendstes Zentrum für Genforschung mit Hauptsitz in Shenzhen. Im Ökopark hat es seine nordchinesische Forschungs-, Entwicklungs- und Produktionsbasis. Geleitet wird das BGI Qingdao von Liu Junnian.



© BGI

BGI-Test-Labor: Die Wissenschaftler haben sich von an Anfang der Herausforderung durch die Corona-Virus-Krise gestellt.




Test-Kits schnell entwickelt


Sowohl für Dai Xingchen als auch für Liu Junnian war es selbstverständlich, in außergewöhnlichen Zeiten besonderes Engagement zu zeigen, und dazu beizutragen, im wahrsten Sinne des Wortes dem Sturm die Stirn zu bieten. Und zwar seitdem klar war, dass dem Land eine Epidemie droht. So hat das BGI schon am 18. Januar seine Mitarbeiter in Wuhan, dem Epizentrum der Epidemie, zusammengezogen und eine Sonderabteilung gebildet, die den neuartigen Virus nicht nur analysieren, sondern auch so schnell wie möglich Tests zum Nachweis sowie Medikamente zur Behandlung entwickeln sollte, erzählt Liu Junnian. Er ergänzt, dass von der Regierung vier Einrichtungen als staatliche Covid-19-Testlabors anerkannt wurden, darunter zwei BGI-Einrichtungen. „Das wichtigste sogenannte Huoyan-Labor (火眼 – Feuerauge) wurde in nur fünf Tagen in Wuhan, der Hauptstadt der Provinz Hubei, aufgebaut und übergeben.“ Chinaweit hat das BGI inzwischen sieben Huoyan-Labore, neben Wuhan in Shenzhen, Tianjin, Shijiazhuang, Changsha, Peking und Shanghai. In Chongqing, Kunming, Qingdao und Guiyang werden derzeit weitere vier gebaut.


Wichtig sei es außerdem gewesen, so schnell wie möglich Test-Kits zur Verfügung zu stellen. Am 26. Januar wurde die erste Serie übergeben. Bis Ende Februar hat das BGI insgesamt 1,14 Millionen geliefert. Davon hat das BGI gemeinsam mit Wohltätigkeitsorganisatiionen fast 310.000 Krankenhäusern in Hubei und in anderen besonders betroffenen Gebieten gespendet. Darüber hinaus wurden insgesamt 317.000 Kits in 26 Länder geliefert, zum Teil auch als Spende.


Ruiyi hat ebenfalls sofort begonnen, Test-Kits zu entwickeln, als klar war, was auf die chinesische Gesellschaft zurollt. Die ersten Kits wurden bereits am 21. Januar nach Wuhan geschickt, erzählt Dai Xingchen, insgesamt 10.000. „Mit einem Kit können 24 Patienten getestet werden“, sagt sie. Da die Regierung gefordert hat, die Anstrengungen zur Eindämmung der Epidemie zu intensivieren und kurzfristig noch vollkommenere Methoden zur Identifizierung von Erkrankten zu haben, wurden in der Forschung und Entwicklung die Ferien abgesagt, um Reagenzien zu entwickeln, die es noch sicherer machten, bei der Untersuchung der Rachen-Abstriche Virenträger herauszufiltern. Zudem musste sichergestellt werden, dass Testergebnisse in kürzester Zeit vorliegen. Noch mehr Labors wurden gebraucht, um die zunehmende Zahl an Untersuchungen durchführen zu können. Ruiyi hat seine Labors dafür selbstverständlich geöffnet.


© Ruiyi

Mussten schnell auf den Markt gebracht werden: Test-Kit von Ruiyi.



Unternehmen wie Ruiyi und BGI haben zudem eine besondere Verantwortung bei der Aufklärung über die Epidemie. „Als Genforschungsinstitut gehören wir weltweit zu den besten“, erklärt beispielsweise Liu Junnian. „Damit hat unsere Stimme auch ein bestimmtes Gewicht.“ Soziale Medien sind Segen, aber auch Fluch. Zu viele falsche Informationen werden in die Welt gesetzt. Mehr Sachlichkeit in der Diskussion ist erforderlich, sind sich die Manager der beiden Einrichtungen einig. „Wir kennen uns mit Viren aus“, sagt Liu Junnian, „und können in der Öffentlichkeit dafür sorgen, dass mit mehr Sachverstand und ohne Panik mit den Problemen umgegangen wird.“ BGI nutzt dafür seine Online-Kanäle. Gleichzeitig sind die Genforscher wichtiger Partner der Regierung und internationaler Zentren für Seuchenkontrolle, wenn es darum geht, geeignete Quarantäne-Maßnahmen zu beschließen und den aktuellen Entwicklungen anzupassen. „Bei allem ist die entscheidende Frage, wie Gesunde von Infizierten getrennt werden können, um Infektionszyklen wirksam zu unterbrechen.“


Investitionen müssen verschoben werden


Auch Hu Chengman bereitet die Corona-Virus-Epidemie schlaflose Nächte, obwohl oder gerade weil er jetzt kaum noch unterwegs ist, ganz im Gegenteil zu den Wochen davor, als für eine Atempause keine Zeit blieb. Für Hu Chengman ist das ein Problem. Er ist Geschäftsführer des RheinKöster-Berufsbildungszentrums im Deutsch-Chinesischen Ökopark, das gerade erst im September den Lehrbetrieb aufgenommen hat. In einem Land, in dem duale Berufsausbildung noch nicht zum Alltag gehört, übernimmt RheinKöster im Auftrag von Produktionsunternehmen die Ausbildung von Facharbeitern. Gleichzeitig werden Berufsschullehrer qualifiziert und in den Werkstätten des Unternehmens Ausrüstungen und Lehrmaterialien für andere Berufsschulen hergestellt. „Aus Quarantäne-Gründen können wir nicht in die Schulen, um die Ausrüstungen zu installieren“, sagt der Manager und ergänzt, dieser Stillstand führe dazu, dass die Umlaufmittel langsam knapp werden. Den Verlust kann Hu Chengman Ende Februar selbstverständlich nicht beziffern. Eine Million Yuan könnten es werden, je nachdem, wann es gelingt die Krise zu überwinden. Nach derzeitiger Richtlinie, darf vier Wochen, nachdem keine neuen Infektionen gemeldet wurden, kein neuer Fall auftreten – erst dann werden die strengen Seuchenschutz-Maßnahmen aufgehoben.


Das heißt aber auch, dass bisher völlig unklar ist, wie es mit der Lehrlingsausbildung weiter geht. Hu Chengman sagt, zwar werde intensiv an Online-Programmen gearbeitet, um die Ausbildung wenigstens irgendwie aufrecht zu erhalten. „Das ist dann aber nur Theorie“, erklärt er, und damit genau das Gegenteil dessen, was RheinKöster eigentlich befördern will: eine praxisnahe Ausbildung, bei der die Lehrlinge selbst Hand anlegen. So würden zwar Videos vorbereitet, in denen die Arbeitsprozesse, etwa der Metallverarbeitung, gezeigt werden. Vom angestrebten Lernziel ist dies allerdings weit entfernt.



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Gesprächspartner: Liu Junian, Dai Xingchen und Hu Chengman



Außerdem kämen die deutschen Lehrkräfte derzeit nicht. „Und wir können nicht nach Deutschland reisen.“ Der Austausch mit Deutschland sei gerade im Stillstand, meint Hu Chengman. Im März wollte er nach Stuttgart zu einer Bildungsmesse reisen, im April die Hannover Messe nutzen, um neue Kontakte zu knüpfen und Erfahrungen auszutauschen. Ob er fahren kann – der Manager weiß es nicht und kann nur hoffen, „dass die Epidemie so schnell wie möglich ein Ende hat“.


Das hofft Liu Junnian auch. Zwar werde die Forschung nicht direkt beeinträchtigt, erzählt er, allerdings schränkten die notwendigen Quarantäne-Maßnahmen das Geschäft ein. „Wenn persönliche Meetings fast unmöglich sind, wird es schwer, maßgeschneiderte Aufträge zu akquirieren.“ Außerdem bleibe nicht ohne Auswirkungen, dass die Logistik eingeschränkt und Beschaffungsketten unterbrochen sind.


So sieht das auch Dai Xingchen. Ursprünglich wollte Ruiyi im April eine weitere Labor-Etage in Qingdao einrichten. „Das müssen wir jetzt erst einmal verschieben.“ Die Managerin lobt allerdings, dass die Ökopark-Verwaltung „die Unternehmen in dieser schwierigen Zeit vorbildlich unterstützt, damit sich die Verluste in Grenzen halten“. Hu Chengman sagt, dass ihm zunächst für einen Monat die Pacht erlassen wurde. Neben den zentral beschlossenen Maßnahmen zur Entlastung der Unternehmen bei den Lohnnebenkosten sei dies eine willkommene Unterstützung. Dai Xingchen ergänzt, dass den Unternehmen geholfen werde, notwendige Desinfektions- und Schutzmaterialien zur Verfügung zu stellen. „Für uns als Unternehmen aus dem medizinischen Bereich ist die Beschaffung einfacher als für andere Firmen“, sagt sie und kündigt eine Spende ihres Unternehmens für den Ökopark an. „In diesen schwierigen Zeiten müssen wir uns gegenseitig unterstützen und noch enger zusammenstehen.“ Peter Tichauer



Der Artikel erscheint Ende März in China insight 1/2020.

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