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© privat
Er nennt sich Marco. Wie Marco Reus von Borussia Dortmund, der vor wenigen Wochen zum zweiten Mal deutscher Fußballer des Jahres geworden ist. Liu Bingyan ist Fußball- und Marco-Reus-Fan.
Seit knapp zwei Jahren trägt der immer gut gelaunte junge Mann bei der Kultur- und Sportgesellschaft des Deutsch-Chinesischen Ökoparks ein klein wenig dazu bei, dass der Fußball-Traum des Präsidenten seines Landes Realität wird. Die erste vom FC Bayern in Asien gegründete Fußballschule im Deutsch-Chinesischen Ökopark ist sein Arbeitsplatz, und Liu Bingyan ist stolz, hier arbeiten zu dürfen.
Mehr als Körperertüchtigung
Im Prinzip gehe es gar nicht so sehr um Träume, die verwirklicht werden sollen, meint er, sondern darum, Kindern den Sport nahezubringen, für den er selbst „brennt“. Denn Fußball sei mehr als körperliche Ertüchtigung. Die gemeinsame Jagd nach dem runden Leder präge Kollektivgeist und fördere die Bereitschaft, sich für den anderen einzustehen, erklärt der Achtundzwanzigjährige. „Warum sind die Chinesen gerade in Einzelsportarten so stark?“ fragt er. Wasserspringen, Tischtennis, Badminton – das seien chinesische Domänen, hier kämpfe jeder für sich und seinen eigenen Ruhm.
Gerade die Ein-Kind-Familien-Generation ist sehr stark auf sich fixiert, gefördert durch einen Eltern- und Großeltern-„Klan“, der nur das Beste für den eigenen Spross will … und seinen Ruhm. Für die Entwicklung der Gesellschaft als Ganzes ist das auf lange Sicht nicht förderlich, findet Liu Bingyan. Kollektivsportarten wie Fußball mehr Aufmerksamkeit zu schenken, könne dazu beitragen, diesen Trend etwas entgegenzusetzen. Spielt das eigene Kind in einer Mannschaft, werden automatisch auch die anderen mit angefeuert.
Ein positives Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln, damit kann nicht früh genug begonnen werden, ist Liu Bingyan überzeugt. „Deshalb wollen wir, dass schon in Kindergärten Fußballkurse angeboten werden“, sagt er. Ihm liegt vor allem daran, die Zusammenarbeit mit dem FC Bayern München – Gespräche über eine Vertragsverlängerung nach 2020 haben gerade begonnen – noch gezielter Erfahrungen aus der Sport-Methodik in China zu übernehmen. Das reiche von der frühkindlichen Begeisterung für den Sport über die gezielte Auswahl und Förderung von Talenten bis zum Aufbau lebendiger Klubs. Und es sollten noch mehr chinesische Eltern so sein wie seine eigenen, sagt Liu Bingyan mit fast schon entwaffnenden Lachen, meint es aber ernst. Denn in China entschieden noch immer die Eltern, womit sich das Kind beschäftigen soll. Wofür es sich interessiert, fragen die Wenigsten. „Bei mir war das anders. Und ich durfte im Fernsehen auch Fußballspiele schauen, während meine Freunde Klavier üben oder fremde Vokabeln büffeln mussten.“
Noch große Ziele
Liu Bingyan gehört zu den Dalianern im Ökopark. Aus der Stadt am nördlichen Ufer der Bohai-Bucht ist er zum Studium der Germanistik nach Qingdao gekommen. Aufgrund einer Farbsehschwäche konnte er kein technisches Fach studieren, erzählt er. Sprachen hätten ihn interessiert, Englisch konnte er schon ganz gut. „Das zu studieren, wäre jedoch keine Herausforderung gewesen.“ Also hat er sich für Deutsch entschieden. Möglicherweise auch, weil ihn deutsche Fußballer in den Bann zogen.
Nachdem er zunächst als Deutsch-Lehrer gearbeitet hat, ist er später dem Fußball-Ruf des Ökoparks gefolgt, „obwohl ich hier im Sommer nicht wie früher Urlaub habe“, scherzt er. Denn das ist die Hochsaison mit den Schüler-Fußballcamps, die ihm viel Freude bereiten. „Der Ökopark ist aber nicht unbedingt mein letzter Karriereschritt“, sagt Liu Bingyan ganz offen. Wenn eines Tages deutsche Trainer die chinesische Nationalmannschaft zu höheren Meriten führen, will er dabei sein. Das perfekte Deutsch spricht er jedenfalls. pt
